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Schachtelwelten

In der aktuellen Ausgabe von GEE stellen wir euch den schwedischen Künstler Kristoffer Zetterstrand vor, der aus klassischer Malerei, Retrografik und 3D-Perspektiven großartige Kunst-Remixe erstellt. Im Interview gibt er einen Einblick in seine Arbeit, Inspirationsquellen und seine Liebe zu Videospielen.

Wie kam es zu deiner Entscheidung, Malerei und Videospiel-Ästhetik zu vereinen?

Ich bin in Stockholm aufgewachsen, aber einige Jahre lang ist meine Familie quer über den Kontinent gereist. Ich habe eine Weile in Dänemark gelebt. Und in Frankreich, hauptsächlich in Paris. Ich war zwölf Jahre, als ich nach Paris kam. Die Stadt hat mich stark beeinflusst. Ich hatte schon immer gemalt und gezeichnet, aber dort nahm alles an Fahrt auf. Die Museen übten eine starke Anziehungskraft aus. Ich saß einfach dort und malte. Als Teenager begann ich auch, die frühen PC-Spiele wie „Wasteland“ und „King’s Quest“ zu spielen. Später erstellte ich sogar Pixel-Art für einen Spielentwickler, aber als ich mein Studium an einer Kunsthochschule begann, konzentrierte ich mich zunächst wieder auf die Malerei. Gegen Ende meiner Studienzeit in Madrid floß beides ineinander. Meine Tage bestanden zu gleichen Teilen aus Malerei im Prado Museum und „Half-Life“-Deathmatch-Partien im Internetcafé, und ich begann, mit Computer-Bildern in meinen Gemälden zu experimentieren.

Wieso ist Perspektive ein elementarer Bestandteil deiner Arbeit?

Ich war schon früh fasziniert von den Werken der italienischen Renaissance, besonders von Piero Della Francesca. Die Erfindung der linearen Perspektive während der Renaissance änderte die Bildwelt der westlichen Hemisphäre. Heute sind wir so an sie gewöhnt, dass wir sie als selbstverständlich erachten und beispielsweise unsere 3D-Software auf sie angewiesen ist. Ich interessiere mich außerdem dafür, wie die menschliche Vorstellungskraft Welten erschafft. Trotzdem habe ich nie explizit entschieden, dass die Frage nach Perspektive ein Teil meiner Arbeit sein soll. Da sie mich aber so fasziniert, komme ich immer wieder auf sie zurück. Mit dem pythargoräischen Verständnis von Mathematik, der Harmonie der Zahlen und den Fibonacci-Serien ist es ähnlich. Die Serie von Gemälden namens „Levels“ (2006) beispielsweise, in der Graham aus „King’s Quest“ dargestellt wird, wie er durch verschiedene Szenarien wandelt, jede Leinwand ein Level aus seinem Abenteuer, habe ich extrem methodisch mit dem Goldenen Schnitt komponiert.

In deinen Gemälden vermengen sich klassische Werke mit Bildkompositionen aus Retro-Spielen. Was ist der Grund für diesen Ansatz?

Der Mix entsteht aus dem Wunsch, verschiedenen bildlichen Elementen die gleiche Bedeutung zu verleihen und dabei ein Stück spielerische Freiheit in meinen Szenen zu erhalten. Ich mag es, einer 8-Bit-Blume den selben Respekt entgegen zu bringen wie einem Ausschnitt aus einem Ölgemälde von Bellini aus dem 15. Jahrhundert. Ich behandele sie in der gleichen Weise, indem ich die Bildelemente auf flache Oberflächen projiziere, obwohl sie einen dreidimensionalen Raum einnehmen. Indem ich die Flächigkeit von ausgelösten Bildelementen mit ihren Schatten im virtuellen Licht kontrastiere, wird ihre Flächigkeit vollkommen überspitzt. Zugleich erhält dabei aber auch der dreidimensionale Raum etwas unwirkliches.
Indem ich pixelige Elemente aus alten Spielen mit naturalistischen Kunstwerken kontrastiere, zum Beispiel Caspar David Friedrichs „Der Wanderer über dem Nebelmeer“ , kann ich eine neue Geschichte erzählen, in der ich mich nicht an die Konventionen einer bestimmten Realität halten muss. Das Resultat ist ein Bild, das seine eigene Realität hat, seine eigenen Regeln. Ich vergleiche das gerne mit einem Theaterstück, welches das Publikum in seinen Bann zieht. Und das obwohl man klar sehen kann, dass das Bühnenbild aus angemalten, billigen Holzlatten besteht.

In deiner Mischung aus Farbe und Pixeln wird der Künstler zum Teil des Kunstwerks und bleibt trotzdem Außenseiter und Beobachter. Was für ein Verhältnis hast du zu deinen Bildern?

Als Künstler übernehme ich bei meinen Gemälden sowohl die Rolle des Schöpfers als auch des Beobachters. In einigen von ihnen habe ich eine Figur integriert, die mit der Szenerie interagiert oder über sie sinniert, und die als ihr Schöpfer interpretiert werden könnte. Vielleicht ist sie ihr aber auch nur ausgeliefert. Da ich diese Figur ebenfalls als texturierte Fläche behandele verschwimmt die Grenze zwischen ihr und dem Rest der Szene. Ich mag den Gedanken, dass der Schöpfer, wenn man ihn so sehen will, in der Welt verankert ist, die er geschaffen hat.

In deinem Selbstporträt (siehe GEE 59), berührt dein Abbild ein Diorama, dass du geschaffen hast. Würdest du gerne Virtualität mit den Fingerspitzen berühren?

Das Gemälde heißt „Artist And Still Life“. In ihm habe ich mich selbst wie einen Künstler angezogen, komplett mit Kittel. Das mache ich im echten Leben nicht. Das Stilleben im Bild repräsentiert eine Welt, die vielleicht vollkommen im Geist des Künstlers besteht. Zugleich spielt er aber mit ihr im selben bildlichen Raum, in dem er selbst existiert. Ich würde sagen, dass es tatsächlich einen realen Wunsch repräsentiert. Auf eine Art habe ich mir diesen Wunsch aber schon erfüllt, denn als ich dieses Bild malte, habe ich diese virtuelle Welt mit meinen bloßen Händen berührt.

Wenn deine Bilder zum Spiel würden, welches Genre würde ihnen am besten zu Gesicht stehen?

Ich habe meine Gemälde bereits spielerisch verarbeitet. Beispielsweise in der „Counterstrike“-Map „(de_priory), in der ich mit Pierro Della Francescas Fresken gearbeitet habe. Ich wollte solche Maps eigentlich nur erstellen, um deren Werkzeuge zu erlernen und später eigene 3D-Welten zu erstellen. Aber ich konnte der Versuchung nicht widerstehen und musste einfach auch eigene Texturen in ihnen erstellen. Einige von ihnen basieren auf meinen Gemälden. Außerdem gibt es Pixel-Versionen einige meiner Gemälde in „Minecraft“. Das ist besonders witzig, denn viele meiner Bilder bestehen ja ohnehin zum Teil aus Old-School-Pixelgrafik. Jetzt sind sie wieder da, wo sie herkommen. Von Pixeln zum Gemälde zurück zu den Pixeln – und gemacht werden sie im Spiel aus Wolle und Holz. Wenn ich aber die Möglichkeit hätte tatsächlich gemalte Objekte in einem Spiel unterzubringen, wäre wahrscheinlich ein Adventure-Spiel meine erste Wahl. Wie „Grim Fandango“ – das wäre fantastisch.

Von Christian Neeb

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